Online-Tagung am 02.03.2023:
„Herausforderungen im dualen Studium der Sozialen Arbeit / Sozialpädagogik“
Der Trend zum Studieren eines dualen Studiums im Bereich Soziale Arbeit/Sozialpädagogik setzt sich weiterhin fort. So zeigen Zahlen im Zeitraum von 2011 bis 2019 für den Bereich „Sozialwesen, Gesundheit und Therapiewesen und Erziehungswissenschaften“ ein Wachstum von 25 (2011) auf 173 (2019) Studiengänge in der Erstausbildung (Hofmann et al. 2019, S. 19.). Die Anzahl der Studierenden wuchs in diesem Bereich von 10.661 (hier: 2016) auf 13.556 im Jahr 2019 (ebd. S. 20). Insgesamt findet sich das Duale weitestgehend in den Organisationsformen Fachhochschulen, Hochschulen und Berufsakademien, vereinzelt an Universitäten (ebd. S. 25). Mit Blick auf den aktuell hohen Fachkräftebedarf liegen mit diesem Studienformat hohe Chancen für die Berufseinmündung in sozialpädagogische Arbeitsfelder vor (vgl. Moch et al. 2013). Von daher kann für die Studienrichtung Soziale Arbeit/Sozialpädagogik das praxisintegrierte Studienformat als mittlerweile etabliert und konsolidiert bezeichnet werden. Diese zufriedenstellenden Ergebnisse bei gleichzeitiger Wahrnehmung der aktuellen sozialen Dringlichkeiten und Problemstellungen sind der Anlass, sich den Herausforderungen der dualen Studiengänge der Sozialen Arbeit und den dort studierenden Akteuren anzunehmen.
Die Ziele der Tagung liegen deshalb in den folgenden Punkten:
- in der Qualitätssicherung und -entwicklung dualer Studiengänge der Disziplin,
- der Hochschuldidaktischen Weiterentwicklung des praxisintegrierten dualen Studiums, dessen Gütemerkmal in einer inhaltlich-curricularen Theorie-Praxis-Verzahnung der zwei Lernorte liegt (vgl. AR 2020),
- um die von den dualen Studierenden als „überaus sinnstiftend erlebte Praxis“ dann mit entsprechender Theorie in Bezug setzen zu können, um deren Professionalisierungsentwicklungen zu sichern (vgl. Hess 2019, S. VI)
- sowie den diversen Herausforderungen der aktuellen Studierenden-Generation zu begegnen und diese zu begleiten
- und schließlich allgemeine sowie auch speziell arbeitsfeldbezogene zukunftsweisende Probleme zu identifizieren und Lösungen zu finden.
Entsprechend sind Tagungsbeiträge erwünscht, die an folgenden Aspekten ansetzen:
- Heterogenität und Diversität von dual Studierenden: Heterogenität nimmt in allen Studienformaten zu (Lange-Vester/Schmidt 2020) und zeigt sich ausgeprägter noch im dualen Format des Sozialwesens (vgl. Rahn/Meyer 2019). Duale Studiengänge sind ein Bestandteil des breit kommunizierten Strebens nach Durchlässigkeit im Bildungssystem. Dies erfordert u.a. Habitussensibilität in der Lehre hinsichtlich Bildungsaufsteiger aus nicht-akademischen Milieus, Gender-Aspekte, Spät- bzw. Quereinsteiger und Arbeitsfeld-Spezifika.
- Theorie und Praxis als Spannungsverhältnis im Dualen: Die Praxisintegration, die im dualen Format begleitend ist, ist die Grundlage für eine individuelle Professionalitätsentwicklung. Stärker den Spannungscharakter zwischen Theorie und Praxis betonen Auseinandersetzungen mit dem von Klassikern vielfältig ausgeführten pädagogischen Grundproblem zur Trennung beider Bereiche. Lehrende aller Studienformate dieser Handlungswissenschaft werden mit den Urteilsbildungen von Studierenden konfrontiert, die sie zu Argumentationen, dem Stellenwert und Nutzen von Theorie auffordern (Almstadt et al. 2018). Vermutlich sind dahingehende Herausforderungen für dual Lehrende nochmals verstärkt: welche Verständnisse, Positionen, didaktische Ableitungsformen, kreative Lösungen, Reflexionsanregungen, auch neue digitale Medienformate einbeziehend, gibt es hier? Werden explizit Formen der ‚Übersetzungsarbeit‘, der ‚Einladung-zur-Theorielektüre‘ oder andere didaktische Wege wie,mit welchen Erfahrungen verfolgt? Inwieweit bietet sich Forschungsorientierung als didaktisches Element zur Berufsbefähigung an (Hess 2021)? Aber auch: inwieweit ist eine dezidiert akademische Forschungshaltung Voraussetzung oder Zielperspektive für das Gelingen eines Studiums und wie zu entwickeln? Welchen Einfluss haben eher akademische und/oder praxisbezogene Biografien Lehrender auf die Entwicklung eines professionellen Habitus bei Studierenden? Erhöht sich bei Steigerung der ‚Hauptamtlichenquote‘ automatisch die Qualität des dualen Studiums? Ebenso diskutierbar sind dual-begründete Konstitutionen im Hinblick auf Theorien/Modelle von „Professioneller Identität“ (vgl. DGSA 2021).
- Die Anleitung am Lernort Praxis in dualen Studiengängen: Inwieweit stellen sich – auch im Zusammenhang mit dem Theorie-Praxis-Spannungsverhältnis – die Anleitungen in der Praxis für die Studierende als hilfreich, motivierend, Kompetenz stärkend u.a.dar? Welche Qualifikationserfordernisse, Kommunikationsformen, Curriculum-begleitende Hochschule-Anleiter-Formate bieten hier duale Studiengänge der Sozialen Arbeit / Sozialpädagogik an? Liegen empirische Befunde, bspw. zum Thema Anleitung-Studierenden-Kommunikation vor?
- Dual Studierende in den altersspezifischen Herausforderungen und der studentischen Akteur-Rolle unterstützen: Welche Bedürfnisse und Bedarfe haben dual Studierende im Sozialwesen? Welche Erfahrungen und Formen des Umgangs mit Belastungen (Beratungsangebote, Peer-bezogene Lösungsansätze, bspw. zu Lern-, Zeitmanagement, Schreib-Kompetenzen) gibt es dazu? Von Interesse sind ebenso Beiträge, die (Arbeits-)Belastungen/Überforderungssituationen thematisieren. Auch Einsichten, die sich mit Lebenslagen dual Studierender (bspw. Vereinbarkeit Familie-Studium), Krisensituationen (inklusive Pandemiebedingte Distancing oder durch Praxisphasen im Dualen ermöglichten Nähe-Erfahrungen) auseinandersetzen sowie Bezugnahmen zur neuen (?) Lebensphase des „werdenden Erwachsenen“ (Arnett 2007) sind erwünscht.
- Sozialpädagogische und arbeitsfeldspezifische Veränderungen identifizieren: Die Praxisnähe der dual Studierende ermöglicht es, gesellschaftliche Veränderungen/Trends, neue Bedarfe der Adressaten und Dynamiken/Strukturen in Organisation/Institution zu einem frühen Zeitpunkt wahrnehmen, benennen und beschreiben zu können. In welcher Form kann diese zeitige Identifikation zu pädagogischen Antworten beitragen? Hier auch sind auch die spezifisch arbeitsfeldbezogenen Herausforderungen von großem Interesse: bspw. schulische Ganztagsbetreuung, neue Bedeutsamkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe, Digitalisierung in speziellen Arbeitsfeldern (s.u.), Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes bzw. der Inklusion, neue Relevanzen in der Arbeit mit Flüchtlingen/Migration sowie Dringlichkeiten innerhalb Gender- bzw. Queer-Themen. Das duale Studienformat liefert so einen Beitrag zu den in Zukunft notwendigen (Speck 2017) individualisierten Care-Dienstleistungen.
Literatur
- Almstadt, E., J. Kotthaus, J. Herwig-Lempp, M. Thran, S. Steinacker und R. Braches-Chyrek. 2018. Über die Bedeutung von Theorien in der Sozialen Arbeit. Die Relevanz in der Praxis darf nicht unterschätzt werden. Sozialmagazin. Die Zeitschrift für Soziale Arbeit. 43: 16-25.
- Arnett, Jeffrey J. 2007. Emerging Adulthood: What Is It, and What Is It Good For? Child Development Perspektives, 1, 2, 68-73 srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1750-8606.2007.00016.x. Zugegriffen: 27. Februar 2020.
- DGSA (2021): Professionelle Identität und Wissenschaftsentwicklung Sozialer Arbeit. Online-Herbsttagung 15.10.2021. Online-Zugriff am 17.10.2021: https://www.dgsa.de/index.php?id=59
- Hess, Simone (Hrsg.). 2019. Dual Sozialpädagogik studieren. Chancen, Herausforderungen und Belastungen in einem dynamischen Studienformat. Wiesbaden: SpringerVS
- Hess, Simone (Hrsg.). 2022 (i.E.): Forschungsorientierung im dualen Studium der Sozialen Arbeit/ Sozialpädagogik im Hinblick auf Berufsbefähigung. Perspektiven auf Studiengänge, Didaktik, Themen und Kompetenzen Studierender.
- Hofmann, Silvia; Hemkes, Barbara; Leo-Joyce, Stephan; König, Maik; Kutzner, Petra; AusbildungPlus in Zahlen. Duales Studium 2019. Trends und Analysen (hgg. von: bibb – Bundesinstitut für Berufsbildung). Online-Zugriff am 27.09.2021: AusbildungPlus in Zahlen. Duales Studium 2019. Trends und Analysen (bibb.de)
- Speck, Karsten. 2017. Der demografische Wandel und das Berufsfeld der Kinder- und Jugendhilfe – Kindertagesbetreuung und Schulsozialarbeit. In Handbuch Jugend im demografischen Wandel, Hrsg. E. Schlemmer, A. Lange und L. Kuld, 272-283. Weinheim/Basel: BeltzJuventa.
- Lange-Vester, A. und M. Schmidt, Hrsg. 2020. Herausforderungen in Studium und Lehre. Heterogentät und Studienabbruch, Habitussensibilität und Qualitätssicherung. Weinheim: BeltzJuventa
- Moch, Matthias; T. Meyer; O. Bense (Hrsg.). 2013. Berufseinstieg in die Soziale Arbeit. Ibbenbüren. Münstermann.
- Rahn, Sebastian und T. Meyer. 2019. Duales Studium der Sozialen Arbeit – breite Zugangsmöglichkeiten, attraktiver Praxisbezug, hohe Arbeitsmarktchancen, aber auch besonders belastend? In Dual Sozialpädagogik studieren. Chancen, Herausforderungen und Belastungen in einem dynamischen Studienformat. Hrsg. S. Hess, 211-228, Wiesbaden: Springer VS
- STIFTUNG AKKREDITIERUNGSRAT (AR) (Hrsg.): FAQ. 16.1 – Auf welcher Rechtsgrundlage wird das Profilmerkmal „dual“ überprüft? (§ 12 Abs. 6 MRVO). Bonn 2020 – URL: www.akkreditierungsrat.de/de/faq/thema/16-kriterien-der-akkreditierung (Stand: 15.06.2020)
Zielgruppen der Tagung
- Konzipierende, Lehrende und Forschende im dualen Studium der Sozialen Arbeit/ Sozialpäd.
- Koordinatoren im Studiengang
- Anleitungen / Träger / Praxispartner
- Studierende/ Absolventen des Studienformats
Hinweise zum Paper:
Dauer: Vortrag 30 + 10 Min. Diskussion; Workshop: 60-max. 90 Min. (bitte angeben!) Umfang des Papers: circa 1 Seite (Word-Format) bzw. etwa 1.500–2.000 Zeichen Einreichung spätestens: 20. August 2022
Rückmeldung bis: 30. September
Einreichung an: simone.hess@ibadual.com
Tagungsprogramm wird im Oktober veröffentlicht
Beiträge von Studierenden und Absolventen sind ausdrücklich erwünscht.
Ein Tagungsband ist geplant.
Das Organisationsteam (alphabetisch geordnet):
Prof. Dr. Erika Alleweldt (Hochschule für angewandte Pädagogik, Berlin), Michel Boße (Wiss. Mit. /Koordinator, FH Dortmund), Prof. Dr. René Gründer (DHBW-Heidenheim) Prof. Dr. Simone Hess (iba, Darmstadt), Sebastian Rahn, MA. (Wiss. Mit., DHBW-Stuttgart).